Die
wasserdichte Armbanduhr
It's
Seatime
Es
gibt mechanische Armbanduhren, die Ihnen auch noch in einer Wassertiefe
von 2.000 Metern, die genaue Uhrzeit anzeigen könnten. Aber wozu?
Wann verdient eine Uhr das Prädikat "wasserdicht" und warum sollte
man sich trotzdem nicht immer darauf verlassen? Wem die Stunde
schlägt, der sitzt nicht immer auf dem Trockenen und will manchmal
auch ins Wasser gehen.
Von
Markus Steinböck
Der Alltag läßt sich nur mit einer dicken
Haut ertragen So sensible "Seelen", wie die kleinen Rädchen und
Krönchen im Inneren einer mechanischen Armbanduhr, bedürfen der
besonderen Obhut. Dicht, dichter am dichtesten, lautete die Devise
der Uhrenfabrikanten, damit kein Tropfen und kein Staubkorn, den
Lauf der Zeit störe. Doch bis es soweit war, sollten noch einige
Prototypen den Bach runtergehen.
Ärmelkanal-Test
Möglich wurde "the greatest Triumph in Watch-making"
(Anzeigentext) durch die, am 18. Oktober 1926 in Bern zum Patent
angemeldete, "verschraubte Aufzugskrone". Hans Wilsdorf (1881
- 1960), Begründer der Firma Rolex, sicherte sich damit ein einträgliches
Geschäft, hatte aber in der Folge eine Unzahl von Prozessen gegen
Branchenkollegen auszufechten, die erstaunlich ähnliche Modelle
zu einem weitaus günstigeren Preis auf den Markt warfen. Rolex
mußte als Pionier des dichten Gehäuses rund 1,2 Millionen Franken,
für die 30er Jahre eine stattliche Summe, in die Werbung pumpen.
Der potentielle Käufer wollte zunächst spektakulär überzeugt werden.
So ließ man damals die Londoner Stenotypistin Mercedes Gleitze
15 Stunden und 15 Minuten lang den Ärmelkanal durchschwimmen.
Anschließend durften Reporter und Kiebitze die noch immer funktionierende
Oyster am Handgelenk der Marathonschwimmerin bewundern.
Höhere Präzision
war das Ziel
Die Schwingungsweite der Unruh nimmt bei nicht dichten Gehäusen
jährlich im Durchschnitt um 32 Prozent ab, gegenüber nur fünf
Prozent in dichten Gehäusen. Im Klartext: Uhren mit dichten Gehäusen
gehen genauer. Der eigentliche Sinn bei der Entwicklung von wasserdichten
Uhren war somit nicht durch den Ärmelkanal zu schwimmen, als vielmehr
das sensible Innenleben, das Werk, von schädlichen Einflüssen
frei zu halten, um mehr Präzision zu erzielen. Wasser spielte
dabei nur eine Nebenrolle. In erster Linie wollte man die Uhren
vor Gasen, die feinste Staubpartikel mit sich brachten schützen.
Patente, die eine hermetisch abgeschlossene Taschenuhr versprachen,
gab es schon im 19. Jahrhundert. Ein praktisches Bedürfnis dafür
bestand aber erst mit dem Aufkommen der Armbanduhr. Möglicherweise
dicht, aber unpraktisch war die Erfindung eines gewissen Jean
Finger, der sich 1921 (fünf Jahre vor der Oyster) eine Zweischalenkonstruktion
einfallen ließ. Über die Uhr wurde ein verschraubtes Übergehäuse
gestülpt, mit dem gravierenden Nachteil, daß die Konstruktion
zum täglichen Aufziehen jedesmal abmontiert werden mußte. Hätte
Finger damals schon Plastiksackerln gehabt, hätte er die Uhren
wahrscheinlich darin verpackt. Ähnliche Zusatzausstattungen gibt
es ja noch heute, um Kameras für den Urlaub schnell und preiswert
"tauchtauglich" zu machen.
Drei Schwachstellen
Ernstere Bemühungen der Industrie, wasserdichte Uhren zu bauen,
konzentrierten sich auf die Schwachstellen Glas, Gehäuse und Krone.
Beim Glas war es hauptsächlich, aber nicht nur, eine Materialfrage.
So ist es beispielsweise bei runden Formen leichter, einen dichten
Abschluß zu erreichen, als bei rechteckigen. In guten modernen
Uhren findet man zuweist Saphirglas, bis in die vierziger Jahre
wurde noch Kristall, später Plexiglas verwendet.
Der Verschluß des Gehäuses, wurde auf verschiedene Weise angegangen.
Eine Variante war, die Einzelteile (Gehäuse und Boden) extrem
präzise zu fertigen, damit sie nur mehr miteinander verschraubt
werden mußten um "dichtzuhalten". Die andere Möglichkeit bestand
darin, mit Gummi, Kork, Leder oder später Kunststoff abzudichten.
Eine Besonderheit stellte das Verfahren der Firma Wyler dar. Hier
wurden Boden und Gehäuse aus einem Stück gefertigt.
Die größten Probleme gab es allerdings im Bereich der Aufzugskrone,
die dicht aber trotzdem beweglich sein mußte und erst die bereits
erwähnte verschraubte Aufzugskrone der Oyster führte hier zu einer
brauchbaren Lösung.
Die Alternative dazu, ein automatischer Aufzug ohne Krone, meldete
der Engländer John Harwood bereits 1923 zum Patent an. Harwoods
Bemühen eine wasserdichte Uhr herzustellen, scheiterte aber wiederum
am Gehäuse. Das Geheimnis des Rolex-Erfolgs bestand somit darin,
daß es Wilsdorf als erster geschafft hat alle drei Schwachstellen,
Glas, Gehäuse und Krone, auszumerzen.
Wasserdicht?
Nach derzeit gültigen Normen darf eine Armbanduhr dann als "wasserdicht"
bezeichnet werden, wenn sie gegen Schweiß, Wassertropfen, Regen
oder beim Tauchen bis einen Meter Wassertiefe für die Dauer von
30 Minuten resistent ist. Ist eine wasserdichte Armbanduhr dagegen
höher belastbar, findet man die entsprechenden Werte zumeist in
Form von Gehäusegravuren, z.B. als Prüfdruck in Atmosphären (atm)
oder als Wassertiefe in Meter. Drei Atmosphären entsprechen beispielsweise
einem Druck von 3 kg/cm2 oder einer Wassertiefe von 30 Metern.
Für Taucheruhren gelten noch strengere Maßstäbe: Sie müssen konstruiert
sein für einen täglichen Gebrauch von mindestens einer Stunde
in einer Wassertiefe von 100 Meter. Die "Ocean 2000" von IWC mit
Titangehäuse und 3,5 Millimeter starkem bombierten Saphirglas
ermöglicht eine Tauchtiefe bis 2000 Meter. Auch Rolex hat sich
seit der ersten Oyster gesteigert. 1960 tauchte eine Sonderanfertigung
an der Außenseite eines Spezialtiefbootes bis in 10 916 Meter
hinunter. Pro Quadratzentimeter lastet in diesen Regionen ein
Druck von mehr als 1000 Kilogramm.
Antimagnetisch
Eine Sonderform stellten antimagnetische Gehäuse dar. Vor allem
Armbanduhren von Eisenbahnern auf E-Loks, Fliegern und Ingenieuren
waren starken Magnetfeldern ausgesetzt. Deshalb tauchten bereits
in den vierziger Jahren erste Spezialgehäuse auf, bei denen das
Uhrwerk von einem sehr leitfähigen Innengehäuse aus einer Speziallegierung,
z.B. Weicheisen, Mumetall oder Permalloy umgeben ist. Ein Klassiker
der antimagnetischen Uhren ist die "Mark XI" von IWC die seit
1948 praktisch, unverändert noch bis vor wenigen Jahren an Luftwaffeneinheiten
geliefert wurde. Bevor eine "Markt XI" das Werk verlassen durfte,
wurde sie nicht weniger als 648 Stunden auf Herz und Nieren getestet.
Pflege
Angaben über den Grad der Wasserdichtheit sind Momentaufnahmen
und keine lebenslang garantierten Werte. Die verwendeten Dichtungsmaterialien
(meistens Gummi oder Kunststoff) altern. Manipulationen am Gehäuse,
starke Temperaturschwankungen (z.B. vom heißen Strand ins kalte
Meer) oder sonstige äußeren Einflüsse können rasch dazuführen,
daß das Prädikat "wasserdicht" nicht mehr oder nur noch eingeschränkt
gilt. Deswegen empfiehlt es sich vor allem bei älteren Sammler-Armbanduhren,
diese vor einer derartigen Benützung bei einem Uhrmacher auf die
Dichtigkeit des Gehäuses hin überprüfen und gegebenenfalls die
Dichtung austauschen zu lassen.
Sollte trotzdem einmal was passieren, ist der unverzügliche Gang
zum Uhrmacher angesagt. Wasser zeigt innerhalb kürzester Zeit
eine verheerende Wirkung auf Stahlteile. Vom Rost befallene Oberflächen
lassen sich nie mehr vollkommen restaurieren. Es bleiben immer
häßliche Rostnarben zurück.
Nach der Benützung einer wasserdichten Uhr in Salzwasser ist ein
Abspülen mit klarem Leitungswasser auf jeden Fall ratsam.
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